Den eigenen Weg zu gehen ist nicht nur erlaubt. Es ist sogar von entscheidender Bedeutung für die Individualität aller.
Peter Kreuz und Anja Förster sind Bestsellerautoren, Managementberater und gefragte Vortragsredner. Ihre Mission ist es, Denkmauern einzureißen und den Horizont zu öffnen für eine neue Art zu leben und zu arbeiten. Dazu gehört auch, entschieden nein zu sagen – zu Überflüssigem, alten Konventionen und Denkmustern. Die beiden sind sowohl beruflich wie auch privat ein Paar und leben abwechselnd in Deutschland und Frankreich.
Was hat Sie dazu bewogen, das Buch „Nein – Was vier mutige Buchstaben im Leben bewirken können“ zu schreiben?
Schauen Sie sich draußen um: Alle sollen gefälligst positiv sein. Alle sind geil nach Harmonie. In einer Welt voller Teamplayer hat das Nein nichts verloren. Wer Nein sagt, gilt schnell als schwierig. Das nervt mich extrem. Unser Buch sagt Ja zum Nein. Denn Nein ist kein Tabuwort, sondern eines der wichtigsten, besten und sinnvollsten Wörter überhaupt.
Warum ist Ihrer Meinung nach das Nein so wichtig?
Erstens ist Nein das Schlüsselwort zur Definition unserer Identität. Wer nicht Nein sagt, gibt seine Identität zur allgemeinen Interpretation frei. Zweitens ermöglicht das Nein es uns, Grenzen zu ziehen. Grenzen zwischen den Interessen anderer und dem, was für uns selbst wirklich wichtig ist. Und drittens hilft das Nein, uns auf das zu fokussieren, was wirklich wichtig ist. Wir können unsere Ziele nur dann erreichen, wenn wir zu tausend Dingen Nein sagen, um sicherzugehen, dass wir nicht in die falsche Richtung laufen oder uns zu viel vornehmen.
Wir bezahlen für unser Ja und für unser Nein gleichermaßen einen Preis. Wie ist zu erklären, dass uns ein Nein oft nur schwer über die Lippen kommt und wenn ja, womöglich noch mit einem schlechten Gewissen?
Nein sagen fällt deswegen schwer, weil es immer ein Spannungsverhältnis zwischen Macht und Beziehung gibt: Nein zu sagen stärkt die eigene Position und die damit verbundene Macht, belastet aber die Beziehung. Aber Ja zu sagen um der Beziehung willen, schwächt die eigene Macht. Viele Menschen begegnen diesem Dilemma mit einem Zyklus aus drei Verhaltensmuster: Anpassen, Angreifen und Ausweichen
Anpassen heißt: Sie sagen ja, obwohl Sie eigentlich lieber Nein sagen würden. Sie machen es der Beziehung zuliebe. Die soll ja nicht leiden. Aber irgendwann wird es dann zu viel. Immer nur Ja und Amen sagen bringt das berühmte Fass zum Überlaufen. Und dann folgt der Gegenentwurf, das Angreifen: Sie sagen auf unangemessene Art und Weise Nein, was zwar die Macht stärkt, aber die Beziehung belastet. Das funktioniert also auch nicht besonders gut. Und dann kommt das Verhaltensmuster Nummer drei: Ausweichen. Sie sagen lieber nichts und legen sich nicht fest. Kein Ja und kein Nein. Das verlagert allerdings nur das Problem, aber es verschwindet nicht.
Nein zu sagen, fällt in der Regel leichter, wenn ich weiß, was mir wichtig ist. Wie kann ich das Ja im mir entdecken?
Ich sollte mir immer mal wieder die Fragen stellen: Was sind die Dinge, die mich inspirieren, herausfordern und wachsen lassen? Antworten darauf können Sie an zwei Orten suchen, innen und außen. Mit der Suche im Innen meine ich, dass Sie Zeit mit sich selbst verbringen und reflektieren. Wann gab es in Ihrem Leben Momente oder auch längere Zeiträume, in denen Sie dieses Funkeln in Ihren Augen hatten und das Gefühl hatten, voll und ganz in Ihrem Element zu sein?
Sie könnten damit beginnen, eine Liste dieser Momente zu erstellen. Oder Sie könnten ein Tagebuch schreiben oder eine Auszeit nehmen oder irgendetwas anderes tun, das Ihnen dabei hilft, wieder in Kontakt mit Ihren wahren Interessen zu kommen, mit den echten Gefühlen, mit den grundsätzlichen Wahrnehmungen, die Ihr Herz höher schlagen lassen.
Aber auch der Blick nach außen ist wichtig. Und das bedeutet: Machen Sie etwas anders als sonst. Probieren Sie Neues aus. Lernen Sie neue Menschen, neue Orte und neue Tätigkeiten kennen. Lassen Sie sich auf neue Denkweisen ein und weiten Sie systematisch Ihre Grenzen aus, die Sie sich irgendwann einmal selbst gesetzt haben. Diese Explorationsaufgabe dürfte Sie in neue Situationen bringen, die Ihnen spürbar mehr bedeuten als andere Momente. Dort, wo Innen und Außen zusammenpassen, dort liegt ihr großes Ja.
Wie viel Einfluss haben wir auf unser Leben?
Wir haben den Einfluss auf unser Leben, den wir selbst zulassen. Diese Entscheidung liegt bei uns. Entscheide ich mich, Gestalter meines Lebens zu sein oder erlebe ich mich als Opfer der Verhältnisse? Gestalter des eigenen Lebens zu sein bedeutet aber auch, dass ich selbst verantwortlich bin; das ist der Grund, warum sich viele Menschen davor fürchten.
Die Formulierung Mittelmaß wirkt auf mich in Ihrem Buch negativ. Was verbinden Sie mit Mittelmaß?
Mittelmaß ist eine Lebenseinstellung, die nach einer schnellen Patentlösung sucht, nach einer Abkürzung. Die beste Version unserer selbst zu werden ist aber ein Weg ohne Abkürzung, ein Prozess des sequentiellen Wachstums von innen nach außen.
Welche Lebenssituation hat Sie besonders geprägt?
Als ich meine Anstellung als Assistant Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien gekündigt und angefangen habe, Bücher zu schreiben, war das ein Sprung ins Ungewisse. Was mir sehr geholfen hat, diesen Schritt in die Tat umzusetzen, war die Erkenntnis, dass für alles ein Preis fällig ist. Und der ist nicht nur für den Sprung ins Ungewisse fällig, sondern auch für das Verharren in den alten Umständen. Was mir damals klargeworden ist: Wir vergleichen im Leben immer Preise. Das geschieht oftmals unbewusst, manchmal auch bewusst.
Am Ende des Prozesses haben wir dann Preise verglichen, Kosten, Nutzen, Alternativen bewertet und kommen dann – hoffentlich – zu einem Ergebnis, also zu einer Entscheidung. Der Punkt ist: Wenn man sich dessen nicht bewusst ist, erlebt man sich nicht als Regisseur im Leben, sondern als Statist. Wenn Sie aber die Statistenrolle gewählt haben, dann brauchen Sie dringend jemandem, dem Sie die Schuld geben können.
Wie wichtig ist Ihnen Sicherheit?
Meine Entscheidung gegen die Universität und für die Selbstständigkeit war ein Verzicht auf Sicherheit. Das ist streckenweise ziemlich anstrengend, denn das Streben nach Sicherheit ist uns Menschen in die Wiege gelegt. Die meisten fühlen sich auch heute noch in der Höhle wohler als in der offenen Steppe, auch wenn die Höhle heute Mietwohnung, Einzelbüro oder Reihenhaus heißt. Und doch heißt menschliche Entwicklung immer Aufbruch zum Neuen, auch wenn es mit dem Verzicht auf Sicherheit einhergeht.
Welche Gedanken kommen Ihnen bei den Worten von Karl Rahner „Die unbequemste Art der Fortbewegung ist das In-sichgehen.“?
Das sind wunderbare Worte. Ich finde es extrem wichtig, sich immer wieder zu reflektieren. Für mich ist In-sichgehen, die einzige Art der Fortbewegung, die mich weiterbringt. Natürlich ist das nicht immer bequem. Aber das Leben beginnt dort, wo es aufhört, bequem zu sein.
Wofür sind Sie dankbar?
Ich bin dankbar für meine Familie. Klar, sie hat Macken wie jede andere, aber es ist die bedingungslose Liebe und Unterstützung in allen Plänen, die es so einzigartig macht. Ich bin dankbar dafür, dass ich mein Leben so frei gestalten kann mit vielen Reisen und Möglichkeiten, an den Projekten zu arbeiten, die für mich Bedeutung haben. Ich bin dankbar für den Tag, an dem ich meine Frau kennengelernt habe. Sie gibt mir Kraft und macht mich seit 29 Jahren glücklich.